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Diverse Kaugummi-Packungen aus der Greenpeace-Untersuchung

Plastik statt Latex: Kaugummi ist meist Kunststoff

Kaugummi müsste eigentlich "Kauplastik" heißen, doch wer würde sich das dann noch freiwillig in den Mund schieben? Kaugummi wurde zwar einmal aus Latex hergestellt, doch die Zeiten des Naturprodukts sind längst vorbei. Die überwiegende Mehrheit der weltweit verkauften Kaugummis besteht aus einer petrochemischen Kaumasse, sprich: aus einem Erdölprodukt. Was sonst noch in ihnen steckt, hat sich Greenpeace genauer angesehen.

Test

Fünfzehn verschiedene Pfefferminzkaugummis liegen vor Greenpeace-Aktivistin Claudia Sprinz; die Testobjekte der jüngsten Untersuchung von Marktcheck.at, der Verbraucherplattform von Greenpeace Österreich. Eingekauft wurden sie in verschiedenen Wiener Supermärkten, vom Bioladen bis zum Diskonter. "Die meisten Kaugummiprodukte, die Sie im Supermarkt bekommen, bestehen aus sogenannter Kaumasse, und das ist ein für die Lebensmittelerzeugung zugelassener Stoff, und das nennt sich Polyisobutylen," sagt Sprinz.

Noch keine Studien zur Kaumasse

Von den 15 Produkten im Test besteht nur eines aus natürlicher Kaumasse, die aus Latex hergestellt wird. Alle anderen Kaugummis verwenden das eben genannte Erdölprodukt; man kaut Kunststoff. Das ist zwar kein Geheimwissen, wie eine kurze Internetrecherche zeigt, auf den ersten Blick dennoch überraschend. Der Grund für den Einsatz von Petrochemie liege auf der Hand, sagt Greenpeace-Sprecherin Sprinz: Die Produktion von natürlicher Kaumasse reiche bei weitem nicht aus, um die weltweite Kaugumminachfrage zu befriedigen. Kunststoff im Mund – was ist davon zu halten?

"Dahinter steckt die Frage: Verändert sich diese Kaumasse?", fragt Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner an der Meduni Wien. "Und beginnen sich da verschiedene Prozesse abzuspielen die eventuell Fremdstoffe rauslösen? Abseits von Weichmachern und anderen, die man halt hinzusetzt zu dieser Kaumasse." Damit habe sich allerdings seiner Kenntnis nach noch niemand wissenschaftlich auseinander gesetzt. Hans-Peter Hutter selbst schätzt das Risiko, dass von der Kunstoffkaumasse ausgeht, als eher gering ein. An ihrem Beispiel zeige sich dafür wieder einmal, wie sehr die Erdölindustrie unseren Alltag bestimme.

Kritische Inhaltsstoffe: Antioxidantien und Süßungsmittel

Bedenklich stimmten dagegen andere Inhaltsstoffe, zum Beispiel ein unaussprechliches Antioxidans, das abgekürzt BHA genannt wird, und unter der E-Nummer 320 firmiert. "In Baby- und Kleinkindernahrung ist diese Substanz verboten, weil sie im Verdacht steht, hormonelle Eigenschaften zu haben und es sind allergische Reaktionen möglich, und es ist auch eingestuft als gesundheitsschädlich beim Verschlucken", weiß Claudia Sprinz. Hans-Peter Hutter ergänzt: "Als Alternative könnte man auch Vitamin E oder Vitamin C zusetzen. Das wird ja auch gemacht. Es ist ja nicht so, dass bei den Kaugummi alles gleich ist, sondern das sind eben verschiedenste Zusammensetzungen. Auch hier könnte man zu einer Variante greifen, die durchaus OK ist, aus medizinischer Sicht."

Von den 15 untersuchten Kaugummis kommen sechs ohne den problematischen Stoff aus. Kritisch sehen Claudia Sprinz und Hans-Peter Hutter auch zwei häufig verwendete Süßstoffe: Aspartam, und Aspartam-Acesulfamsalz, in den Zutatenlisten meist als E 951 und E 962 zu finden. Drei der 15 Testobjekte verzichten auf diese Süßstoffe. Am besten schnitt im Greenpeace-Test, wenig überraschend, ein Bio-Produkt ab, das einzige mit einer Kaumasse auf Latexbasis. Allerdings wurde auch ein günstiges Diskonterprodukt wohlwollend bewertet: es wird ohne die umstrittenen Süßstoffe, und ohne das kritische Antioxidans hergestellt. Muss nun vor Kaugummi gewarnt werden? Nein, sagt Umweltmediziner Hutter, der Test war nicht als Spaßbremse gedacht. "Man will nicht den Leuten das Kaugummikauen verleiden. Aber es gibt eben exzessive Kaugummikauer, und da sei schon einmal darauf hingewiesen, dass man sich überlegen kann, welchen Kaugummi man kauft, und welchen man genießen kann."

14.09.2013