
Was Prozesskostenfinanzierer können und dürfen
Aus US-amerikanischen Filmklassikern kennt man folgendes Szenario: In langwierigen Verfahren mühen sich Anwälte ab, ihren Klienten zu ihrem Recht zu verhelfen. Am Ende werden die Rechtsvertreter je nach Erfolg über eine Beteiligung an allenfalls erstrittenen Geldern entlohnt. Diesem Konzept folgend drängen nun hierzulande vermehrt Prozessfinanzierer auf den Markt.
Alternative zur Rechtsschutzversicherung
Grundsätzlich liege hiermit die Umkehrsituation einer Rechtsschutzversicherung vor, erklärt Peter Kolba, Chefjurist beim Verein für Konsumenteninformation. Bei einer Rechtsschutzversicherung zahle man - in der Hoffnung, dass die Versicherung etwaige Schäden deckt - jahrelang Prämien ein. Bei der Prozessfinanzierung biete dagegen ein Unternehmer an, das gesamte Kostenrisiko eines Verfahrens zu übernehmen, so Kolba.
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Haben die Prozesskostenfinanzierer vor Gericht Erfolg, werden sie am Gewinn beteiligt. Nach Ansicht des VKI-Juristen ist Prozessfinanzierung für Konsumenten ohne Rechtsschutzversicherung interessant und das seien immerhin 75 Prozent aller Verbraucher.
Durchsetzungsdefizit im Verbraucherrecht
Rechtsanwälte, Wirtschaftstreuhänder oder Notare dürfen nicht als Prozesskostenfinanzierer auftreten. Das Gesetz sieht vor, dass diese sogenannten Rechtsfreunde ihre Funktion nicht erfolgsbeteiligt ausüben dürfen. Der VKI oder ein zu diesem Zweck gegründetes Unternehmen dürfen die beschriebene Form der Verfahrensfinanzierung aber sehr wohl ermöglichen.
Der ursprüngliche Gedanke hinter der geltenden Regelung war, Verbraucher, die unter Umständen keine genaue Kenntnis davon haben, wie sicher ihre Ansprüche durchsetzbar sind, zu schützen. Das entspreche aber nicht mehr der wirtschaftlichen Realität, ist Peter Kolba überzeugt: "Was die Verbraucher wirklich betrifft, ist, dass sie sich Prozesse nicht leisten können: Wir haben ein sehr großes Durchsetzungsdefizit im Verbraucherrecht."
Mietzinsüberprüfung und Fluggastrechte
Neuerdings treten einschlägige Firmen vermehrt dort auf den Plan, wo es um vergleichsweise kleine Schadenssummen geht, etwa bei der Mietzinsüberprüfung oder im Bereich der Fluggastrechte. Firmen wie "Mietfuchs", "mieterunter.at" oder "fairplane.de" treten vor allem über das Internet an mögliche Kunden heran.
Für eine Erfolgsbeteiligung von rund dreißig Prozent bieten sie an, Entschädigungen nach einem Flugausfall oder einer Verspätung einzutreiben. Das garantiere eine gewisse Sicherheit, dass die jeweiligen Unternehmen sich um konsequente Rechtsdurchsetzung bemühen, so Kolba. Immerhin sitze man sozusagen im selben Boot, denn "je mehr man herausholt, desto größer ist auch der Anteil, den das Unternehmen erhält".
Erfolg muss bewertbar sein
Grundsätzlich ist Prozessfinanzierung überall dort möglich, wo man wirtschaftliche Erfolge bewerten und dementsprechende Erfolgshonorare berechnen kann. Wieso derzeit neue Finanzierer wie die sprichwörtlichen Pilze aus dem Boden schießen, erklärt Peter Kolba mit der herrschenden Wirtschaftslage: "Vor wenigen Jahren war noch dank höherer Sparzinsen mit Sparbüchern, Bausparverträgen und Lebensversicherungen gutes Geld zu verdienen. Weil dem heute nicht mehr so ist, wandert Anlegergeld eben in die lukrativere Risikofinanzierung."
Konsumenten rät Kolba jedenfalls vor Vertragsabschluss mit einem Prozessfinanzierer genau die Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu studieren.
Johanna Jaufer, help.ORF.at
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Erstellt am 21.05.2016.