Standort: help.ORF.at / Meldung: "Mizellengesichtswasser: Alter Hut als neuer Trend"

Regal mit Parfumfläschchen

Mizellengesichtswasser: Alter Hut als neuer Trend

"Mizellengesichtswässer" sind „in“: Vom Diskonter über hochpreisige Kosmetikmarken bishin zu Naturprodukten – alle preisen diese speziellen Tensidmoleküle zum Abschminken und Reinigen an. Neu ist daran allerdings weniger die Chemie als die Marketingstrategie. Und ein aktueller Test zeigt: nicht alle sind uneingeschränkt empfehlenswert.

Kosmetik

Sendungshinweis:

"Help", das Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Ö1

Das, was dafür sorgt, dass Seifen die Haut von Fett und Schmutz befreien, sind Tenside. Und die stecken auch hinter der Mizellentechnologie. Diese winzig kleinen Nanomoleküle haben wasserfreundliche "Köpfchen" und fettfreundliche "Schwänzchen". Trifft die Mizelle auf der Haut auf fettigen Schmutz, nimmt sie ihn auf und bindet ihn in ihrem Inneren. So kann das Gesicht gereinigt und von Makeup und Schmutz befreit werden - ein alter Hut, der schon bei Seife und Waschmittel seit Jahrzehnten gut funktioniert.

Sieben Produkte "sehr gut"

Weil "Mizellenwässer" derzeit die Kosmetikregale fluten und eifrig beworben werden, hat die Verbraucherzeitschrift Ökotest 20 dieser Produkte getestet. An sieben hatten die Tester nichts auszusetzen. Dazu gehören zertifizierte Naturkosmetika von Marken wie Cattier, Lavera oder Melvita, aber auch günstigere Produkte aus dem Drogeriemarkt, wie die DM-Eigenmarke Balea oder das Mizellenwasser von CD.

Weitere acht Produkte erhielten ein "Befriedigend". Darunter hochpreisiges von Lancôme und Dior, Apothekenprodukte wie Avène, Bioderma und Eucerin oder die Marke Nivea. Hier kritisierten die Verbraucherschützer den Einsatz von PEG-Derivaten.

Kritik an Inhaltsstoffen

Diese PEGs werden in Kosmetikpodukten aus zwei Gründen eingesetzt: Als Emulgatoren, die dafür sorgen, dass sich Fett und Wasser mischen. Und als Tenside, die die Reinigungswirkung verstärken. "Das Problem mit PEGs und ihren Abkömmlingen ist aber, dass sie die Haut durchlässiger für Fremdstoffe machen können, auch für Schadstoffe, und das ist es, was wir grundsätzlich kritisieren", sagt Marieke Jörg, Redakteurin bei Ökotest.

Denn man könne auf diese PEG-Derivate durchaus auch verzichten. Bei den Naturprodukten im Test, wurde die kritische Mizellenbildungskonzentration mit pflanzlichen Tensiden bzw. Zuckertensiden erreicht, so Ökotest.

Viermal "ungenügend"

Bleiben vier Produkte, die als "ungenügend" eingestuft wurden. Sie alle werden mit unterschiedlichen Markennamen vom Kosmetikriesen L'Oréal produziert. Neben der Eigenmarke gehören dazu Vichy, La Roche-Posay und Garnier. Auf der Liste mit den Inhaltsstoffen waren bei diesen Produkten nicht nur PEG-Derivate zu finden, sondern auch ein Konservierungsstoff, der als PHMB geführt wird.

"Also PHMB ist von der EU-Kommission als Gefahrenstoff eingestuft worden, weil es möglicherweise Krebs verursacht" erläutert Marieke Jörg. Deshalb dürfe es eigentlich in Kosmetikprodukten gar nicht mehr eingesetzt werden. Doch die Gesetzeslage sei nicht hundertprozentig eindeutig, kritisiert die Verbraucherschützerin: "Deswegen soll PHMB jetzt noch einmal von der EU bewertet werden und diese rechtliche Unsicherheit macht sich L'Oreal eben grade zu nutze", so Jörg.

Keine Bedenken beim Hersteller

L'Oréal kann diese Kritik nicht nachvollziehen. In einer Stellungnahme betont das Unternehmen, dass man beim Einsatz von PHMB alle Grenzwerte der EU-Kosmetikverordnung einhalte. Kosmetikprodukte mit PHMB seien daher sicher und könnten von den Verbrauchern ohne Bedenken verwendet werden.

Konservierungsstoffe zu verwenden, sei vielmehr aus Sicherheitsgründen notwendig. Denn so könne sichergestellt werden, dass sich krankheitserregende Keime nach dem Öffnen nicht vermehren. "Die Konservierung schützt das Produkt und verhindert den Verderb durch Mikroorganismen über den gesamten Verwendungszeitraum hinweg", so L'Oréal gegenüber help.ORF.at. Ökotest steht wiederum auf dem Standpunkt, dass Kosmetikunternehmen auf kritische Inhaltsstoffe verzichten sollten, bis deren Sicherheit abschließend bewertet ist.

Kauf kann sinnvoll sein

Insgesamt kommen die Tester zu dem Schluss, dass sich der Kauf eines Mizellenwassers durchaus auszahlen kann. Denn wenn man das Produkt verträgt, braucht man nicht in verschiedene Wässerchen für Gesicht und Augen investieren, sondern kann das das ganze Gesicht in einem Aufwasch reinigen.

Marlene Nowotny, help.ORF.at

Mehr zu dem Thema:

16.07.2016