Standort: help.ORF.at / Meldung: "VKI: "Schul-Werbung hat überhandgenommen""

Volksschüler in der Klasse

VKI: "Schul-Werbung hat überhandgenommen"

Werbung an Schulen ruft immer wieder Verbraucherschützer auf den Plan. Jüngstes Beispiel ist eine Klage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) gegen die Raiffeisen Oberösterreich, die Sparbücher an einer Volksschule beworben hatte. Vor dem Landesgericht Linz bekam der VKI Recht (nicht rechtskräftig), ein generelles Werbeverbot an Schulen ist jedoch nicht in Sicht. Warum das so ist und wie das geändert werden sollte, sagt VKI-Juristin Ulrike Docekal im Interview mit help.ORF.at

Interview

Was vielen unter dem Begriff "Schulsparen" bekannt ist, beschäftigt jetzt die Gerichte. Bankbeamte der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich kamen in eine Volksschule. Sie führten Kinder an die Idee des Sparens heran – anhand einer Zählmaschine, die eigens dafür aufgebaut wurde. Ein Geschenk erhielt anschließend ausschließlich, wer beim werbenden Bankinstitut auf ein entsprechendes Konto einzahlt. Auf Elternbeschwerden hin wurde der Verein für Konsumenteninformation tätig (VKI) tätig und klagte auf Unterlassung.

Sendungshinweis:

"Help", das Ö1-Konsumenten- magazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Österreich 1

Man war der Ansicht, dass solch ein Erzeugen von Gruppendruck als aggressive Geschäftspraktik zu bewerten ist. Das Landesgericht Linz gab dem VKI fürs Erste Recht – teilweise: Die konkrete Werbeaktion wurde untersagt, das Hauptbegehren aber ist abgewiesen worden – nämlich das grundsätzliche Verbot, in Volksschulen Werbung für Bankprodukte zu machen. Im Gespräch mit Help zeichnet VKI-Juristin Ulrike Docekal nach, auf welcher Basis überhaupt Werbung an Schulen gemacht werden darf.

help.ORF.at: Seit wann ist Werbung an Schulen erlaubt und wie sieht die Rechtslage grundsätzlich aus?

Ulrike Docekal: Seit den 1990er-Jahren ist das Werbeverbot an Schulen gelockert worden. Da ging es um die Finanzierung und um das Schulsponsoring. Die Werbung an den Schulen hat in den letzten Jahren überhandgenommen. Es gibt immer wieder sehr viele Elternbeschwerden insbesondere zu Banken und Versicherungen, die an Schulen werben. Leider verbietet die Rechtslage Werbung an Schulen aber nicht generell. Der VKI geht immer wieder über das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb vor – das heißt: Wir bringen Unterlassungsklagen gegen aggressive und irreführende Geschäftspraktiken ein. Eine irreführende Geschäftspraktik wäre etwa der Fall eines Mitteilungsheftes von vor ein paar Jahren, wo Mitteilungshefte an SchülerInnen verteilt wurden, die sehr viele Inserate enthielten. Damals hat das Oberlandesgericht Wien festgestellt: das ist für die Kinder nicht als Werbung erkennbar. Damit ist es irreführend.

help.ORF.at: Wie sieht es mit der Inanspruchnahme von Unterrichtszeit selbst aus?

Urike Docekal: Es ist sicher nicht mit den schulrechtlichen Vorschriften kompatibel, wenn ich in der Unterrichtszeit Werbung zulasse. Weil das Schulorganisationsgesetz und Schulunterrichtsgesetz vorsehen, dass Werbung insofern erlaubt ist, als sie nicht die Zwecke der österreichischen Schule beeinträchtige. Wenn es im Unterricht zu Werbung durch Unternehmen kommt, sind die Zwecke der österreichischen Schule natürlich schon beeinträchtigt.

help.ORF.at: Wer entscheidet denn in Österreich konkret darüber, was beworben wird und in welcher Form und wieso ist es für Schulen überhaupt attraktiv sich Reklame ins Haus zu holen?

Ulrike Docekal: Die Entscheidung ob an einer Schule Werbung zulässig ist, trifft grundsätzlich die Direktion. Es gibt aber einen Erlass des Bildungsministeriums, der Regeln enthält, die diese zulässige Werbung einschränken. Grundsätzlich argumentieren Lehrer und Direktoren gerne damit, dass sie das Geld unbedingt brauchen, um den Unterricht aufrechterhalten zu können.

help.ORF.at: Wenn es immer wieder gerichtliche Teilerfolge zu verbuchen gibt – warum als VKI dann nicht gleich für ein generelles Werbeverbot eintreten?

Ulrike Docekal: Wir sind für das generelle Werbeverbot an Schulen. Weil man sieht: Die Gerichte interpretieren die Rechtslage aus Verbrauchersicht sehr einschränkend. Es wird immer wieder festgehalten, dass Werbung an Schulen ja grundsätzlich erlaubt ist. Das ist unbefriedigend, weil man auch über das Wettbewerbsrecht immer nachhinkt: Die Werbung ist ja jeweils schon einige Zeit gelaufen, und bis man ein Urteil hat, können schon auch zwei Jahre vergehen. Viele Eltern stört auch, dass die Kinder überhaupt der Werbung ausgesetzt sind. Wir haben mit der zuständigen EU-Kommissarin Věra Jourová (Justiz, Verbraucher und Gleichstellung, Anm.) gesprochen und ihr das Problem geschildert. Sie hat davon gesprochen, dass es eher eine Frage des Hausverstandes sei, dass Schulen und Werbung nicht zusammengehen. Sie hat das also nicht so als Problem gesehen. Es scheint, als ob das Ausmaß der Werbung an Schulen sehr österreichspezifisch wäre. Daher wünschen wir uns ein Werbeverbot an Schulen beziehungsweise eine entsprechende EU-Entscheidung oder EU-Gesetzgebung, in der man auf dieses Problem eingeht. Denn es wird derzeit nicht kritisch diskutiert. Es wird einfach hingenommen. Und das Absurde ist ja, dass einerseits der Staat beim Bildungsbudget einspart, und die Schulen jammern, dass sie zu wenig Geld haben. Andererseits werden gerade die Banken gerettet, dorthin fließt sehr viel Steuergeld. Und dann müssen die Schulen, die das Geld jetzt nicht haben, die Banken in den Unterricht holen, damit sie das Geld wieder haben. Das ist eine sehr absurde Situation.

Johanna Jaufer, help.ORF.at

30.07.2016